Feuilleton zu „All You Need Is Love“ Fotoausstellung im WestLicht. Schauplatz für Fotografie am 19. Juli 2023

Von Wolfgang Geißler

Erinnern Sie sich noch?

Es war vor unglaublichen 56 Jahren in München, als ich staunend vor dem Fernseher saß. An diesem Tag hörte ich zum ersten Mal „All You need is Love“, das Lied, das mit der schmissigen Marseillaise anfängt.

Ein warmer Tag ist der 25. Juni 1967 in Europa, ein kalter Wintertag in Australien, ein regnerischer Tag in Japan und ein sonniger im Norden der USA. Es ist der Tag, an dem die erste Fernsehsendung weltweit über Satellit ausgestrahlt wird: „Our World – Unsere Welt. Augenblicke aus fünf Kontinenten“, eine kaleidoskopartige Livesendung mit Filmsequenzen aus 42 Orten in der ganzen Welt.

In 14 Ländern sind die Momentaufnahmen unter der Zentralregie der BBC in London entstanden. Zweieinhalb Stunden – in denen auch Pablo Picasso, Maria Callas und die Beatles auftreten. Im britischen Beitrag schalten die Fernsehmacher nämlich in die Abbey Road Studios, wo die Beatles ihren Song „All you need is love“ aufnehmen. Zehn Monate arbeiteten zehntausende Techniker, Produzenten und Übersetzer an „Our World“.

„Our World“ war die erste multinationale Multisatelliten-Live-Fernsehproduktion. An der Sendung beteiligten sich nationale Rundfunkanstalten aus vierzehn Ländern weltweit, koordiniert von der European Broadcasting Union (EBU). Die zweistündige Veranstaltung, die am Sonntag, dem 25. Juni 1967, in 24 Ländern ausgestrahlt wurde, hatte eine geschätzte Zuschauerzahl von 400 bis 700 Millionen Menschen, die bis dahin größte Fernsehzuschauerzahl. Vier Kommunikationssatelliten sorgten für eine weltweite Abdeckung, was einen technologischen Meilenstein in der Fernsehübertragung darstellte.

Kreative Künstler, darunter die Opernsängerin Heather Harper, der Filmregisseur Franco Zeffirelli, der Dirigent Leonard Bernstein, der Bildhauer Alexander Calder und der Maler Joan Miró, wurden eingeladen, in separaten Live-Segmenten aufzutreten, die jeweils von einem der teilnehmenden Sender produziert wurden. Der berühmteste Abschnitt stammt aus dem Vereinigten Königreich, in dem die Beatles zum ersten Mal ihren Song „All You Need Is Love“ aufführen.

Das Projekt wurde vom Produzenten der British Broadcasting Corporation (BBC), Aubrey Singer, konzipiert. Aufgrund des Umfangs der Produktion wurde die Koordination der European Broadcasting Union (EBU) übertragen, wobei Singer die Leitung des Projekts übernahm. Zwei Kommunikationssatelliten im geosynchronen Orbit über dem Atlantischen Ozean – Intelsat I (bekannt als „Early Bird“) und Intelsat II F-3 („Canary Bird“) –, zwei über dem Pazifischen Ozean – Intelsat II F-2 („Lani Bird“) „) und ATS-1 der NASA– und neun Bodenstationen zusätzlich zum Eurovision-Punkt-zu-Punkt-Kommunikationsnetzwerk der EBU, die alle von Technik- und Produktionsteams in 43 Kontrollräumen überwacht wurden, wurden zur Verbindung von Nordamerika, Europa, Tunesien, Japan und Australien in Echtzeit.

Das Programm war in sechs Abschnitte unterteilt: „The Opening“, „This  Moment’s World”, „The Crowded World”, „Aspiration to Physical Excellence“, „Aspiration to Artistic Excellence“ und „The World Beyond“. Diese Abschnitte wurden in Live-Segmente unterteilt, die von den teilnehmenden Sendern bereitgestellt wurden. Unmittelbar vor dem Abschnitt „The Crowded World“ war ein weiterer Abschnitt geplant – „The Hungry World“, aber aufgrund des Rückzugs der Segmente der Ostblockländer wurde dieser Abschnitt schließlich entfernt und seine verbleibenden Abschnitte wurden in den Abschnitt „The Crowded World“ integriert.

Der Vorspann wurde vom „Our World Theme“ begleitet, gespielt von den Wiener Philharmonikern und in siebzehn verschiedenen Sprachen von den Wiener Sängerknaben gesungen.

Zurück im TC1-Studio der BBC in London wurde eine Reise um die Welt vorgestellt, die bei den Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerken (VOEST) in Linz, Österreich, begann.

Zurück im TC1-Studio der BBC in London wurde ein Abschnitt über Männer und Frauen auf der Suche nach Kunst eingeführt, beginnend in der Kirche San Pietro in der Toskana, Italien, für die Proben des Films Romeo und Julia mit dem Filmregisseur Franco Zeffirelli und den Schauspielern Milo O’Shea, Leonard Whiting und Olivia Hussey und weiterhin im Bayreuther Festspielhaus in Bayreuth, Westdeutschland, für die Bayreuther Festspielproben der Oper Lohengrin mit Regisseur Wolfgang Wagner, Dirigent Rudolf Kempe und den Sängerinnen Heather Harper und Grace Hoffman; in der Fondation Maeght in Saint-Paul-de-Vence, Frankreich, mit dem Bildhauer Alexander Calder und dem Maler Joan Miró; in Mexiko-Stadt, Mexiko mit den Sängern Antonio Aguilar, der „Allá en el Rancho Grande“ zu Pferd singt, und Flor Silvestre, der „Como México no hay dos“ singt – berichtet von León Michel–; im Lincoln Center in New York City mit Dirigent Leonard Bernstein und Pianist Van Cliburn bei der Probe von Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3.

Zum Schluss kehrten wir in das EMI Recording Studio 1 in Abbey Road, London zurück, wo das allererste Recording von „All You Need Is Love“ der Beatles aufgenommen wurde (berichtet von Steve Race.)  Eine echte Welt-Uraufführung.

Da die Ausstrahlung auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs stattfand, wurden die Beatles gebeten, einen Song mit einer positiven Botschaft zu schreiben. Sie krönten die Veranstaltung mit ihrem Debüt von „All You Need Is Love“. Sie luden viele ihrer Freunde zu der Veranstaltung ein, um eine festliche Atmosphäre zu schaffen und beim Refrain des Liedes mitzusingen. Zu den Freunden gehörten Mitglieder der Rolling Stones, Eric Clapton, Marianne Faithfull, Keith Moon und Graham Nash.

Obwohl „Our World“ ursprünglich in Schwarzweiß aufgezeichnet und übertragen wurde, wurde der Auftritt der Beatles in der Sendung für die Verwendung im TV-Special „The Beatles Anthology“ von 1995 koloriert, wobei bei der Veranstaltung aufgenommene Farbfotos als Referenz dienten. Die Sequenz beginnt in ihrem ursprünglichen monochromatischen Format und verwandelt sich schnell in volle Farbe, um die farbenfrohe Flower-Power- und psychedelische Kleidung zu vermitteln, die die Beatles und ihre Gäste während des sogenannten „Summer of Love“ trugen.

Sie haben mehr als eine Milliarde Platten verkauft, 30 Nummer-Eins-Hits produziert, sind als erste Popmusiker live im Fernsehen aufgetreten und haben erstmals Open Air Stadien gefüllt: Die Beatles sind die bis heute erfolgreichste Band der Musikgeschichte.

Die Vier aus Liverpool prägten aber nicht nur die Musik, die Mode und den Zeitgeist der 1960er-Jahre – sie veränderten auch die Gesellschaft als Ganzes.

Mit zu ihrem kometenhaften Aufstieg beigetragen haben nicht zuletzt jene Fotografen und Fotografinnen, die alle Facetten und jeden Moment ihrer nur zehn Jahre dauernden Bandgeschichte festgehalten haben. Ihre Fotos wurden milliardenfach auf Plattenhüllen, Zeitungscovern, Postern, Autogrammkarten und sogar Kaugummibildchen reproduziert und prägten bald das Weltbild einer ganzen Generation.

„Ohne die Kraft der Bilder wäre das Phänomen Beatles in dieser Form nicht möglich gewesen“, sagt WestLicht-Chef Peter Coeln. „Die Fotografie war für die Beatlemania ein ebenso wichtiger Treibstoff wie die Musik selbst und hat mit dazu beigetragen, die Welt ein wenig bunter, lustvoller und auch gerechter zu machen.“

Mit 120 Bildern, zahlreichen Original-Magazinen und raren LP-Covern zeigt die Ausstellung „All You Need Is Love“ wie der bis dahin einmalige Starkult immer wieder aufs Neue befeuert wurde. Von den imagebildenden Bandporträts über hautnahe Reportagen bis zu Richard Avedons psychedelischen Pop-Art-Postern zieht sich dabei eine Botschaft quer durch den gesamten Bilderkosmos: „Die Band und ihre Fotografen und Fotografinnen haben immer wieder mit den damals gültigen Bildkonventionen gebrochen und den jugendlichen Fans damit die perfekte Projektionsfläche geboten“, sagt WestLicht-Kurator Fabian Knierim. „Jugendkultur als Massenphänomen wurde mit den Beatles überhaupt erst erfunden.“

Man sagt der älteren Pop-affinen Generation nach, dass sie entweder den Rolling Stones oder den Beatles folge. Beides ist angeblich nicht möglich. Das kennt man schon im Fußball.

Unser Präsident Prof. Dr. Kurt Tiroch bestätigte in seiner kurzen, aber launigen Rede zur Führung durch die Ausstellung „All You need is Love“ im WestLicht, dass er ein Beatles-Fan ist. Er verriet uns auch, dass er Cat Stevens mag, bevor er Yusuf Islam wurde. Nach diesen Offenbarungen hörten wir der Rede von Markus Reiter zu. Er ist ein Politiker der Grünen, Mitbegründer der Sozialorganisation neunerhaus und Sozialökonom. Seit dem 30. November 2017 ist er als Nachfolger von Thomas Blimlinger Bezirksvorsteher des 7. Wiener Gemeindebezirks Neubau. Er erklärte uns mit nicht unberechtigtem Stolz, dass die Westbahnstraße einst ein „Zentrum“ der Fotografie war.

Die etwa 70 Mitglieder wurden in zwei Gruppen aufgeteilt und folgten den jeweiligen Führern. Ich war der Gruppe zugeteilt, die von einer sehr jungen, hübschen, rothaarigen, etwas nervösen, Hamburgerin geführt wurde. Ein komisches Gefühl befiel mich, da die junge Dame von den Beatles als historische Personen sprach, so etwa als würde man sich eine Ausstellung über Franz Schubert anschauen. Dieser etwas skurrile Eindruck wurde noch verstärkt, wenn ich, eindeutig der älteren Generation zugehörig, als Zeitzeuge herangezogen wurde.

Nach dieser sehr interessanten Ausstellung, für mich voll von schönen Erinnerungen, die weit über 50 Jahre zurückliegen, und nahezu einer Stunde intensiven Betrachtens, versammelten wir uns alle durstig und hungrig an der Bar, wo uns schon ein Buffet von köstlichen Canapés und kaltem Sekt erwartete, bereitgestellt von unserem Café Ministerium. Ein Labsal an diesem heißen Tag, und das sage nicht nur ich.

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