Bericht zur Veranstaltung der Österreichisch-Britischen Gesellschaft
„Kammerschauspieler Cornelius Obonya – Der Mann mit allen Eigenschaften“ am Dienstag, 22. April 2025 im Café Ministerium (Fotos © Wolfgang Geißler und Wolfgang Menth-Chiari)
Von Wolfgang Geißler
Einleitung – Prof. Dr. Kurt Tiroch
Mit launigen Worten und einem kleinen Disziplinaufruf (ohne Rohrstaberl) eröffnete Prof. Dr. Kurt Tiroch den Abend: „Wie in der Schule – wenn’s zu laut wird, hör’ ich einfach zu reden auf. Irgendwann merkt’s der Letzte.“ Danach ließ er das Publikum an seinen Gedanken zu Kunst und Kultur im Programm der Gesellschaft teilhaben – ein Bereich, dem seiner Meinung nach zu wenig Raum zukomme.
Nach einem kurzen Ausblick auf kommende Veranstaltungen (von Bentley über die Ukraine bis nach Cornwall) und einer Reise nach Saudi-Arabien, bei der noch einzelne Plätze verfügbar seien – „für Abenteuerlustige mit diplomatischem Interesse“, wie er es nicht ohne Ironie formulierte, lenkte er den Fokus auf die Gäste des Abends: Kammerschauspieler Cornelius Obonya und Regisseurin Carolin Pienkos, zwei hochkarätige Gäste, die gemeinsam Regie führen – und gemeinsam leben.
„Ich hab ihnen regelrecht nachlaufen müssen!“, gestand er schmunzelnd, denn beide sind vielbeschäftigt und auf allen Bühnen der Stadt zu Hause. Doch das Warten habe sich gelohnt: „Heute bekommen wir Einblick in eine Welt, die hinter den Kulissen liegt – und uns sonst meist verborgen bleibt.“
Doppelconference – Cornelius Obonya & Carolin Pienkos
Schon mit dem ersten Satz stellte Obonya klar: „Ich war’s nicht, der auf den Titel Kammerschauspieler bestanden hat!“ Ebenso klar: Seine Frau ist nicht „Begleitung“, sondern ebenbürtige Regiepartnerin. Die beiden ergänzten sich im Gespräch nahtlos, einander gedanklich zuspielend – wie auf der Bühne, so auch im Leben.
Was folgte, war ein leidenschaftlicher und zugleich reflektierter Blick hinter die Kulissen der Opernregie. Ihre Arbeitsweise beginnt stets mit dem genauen Studium von Text und Musik. Erst wenn man verstanden habe, was gesagt und wie es komponiert wurde, könne man inszenieren – nicht umgekehrt. „Wir lesen das Libretto so, als hätten wir es noch nie gehört“, betonte Obonya. Nur so lasse sich verhindern, dass man in bloßer Routine inszeniere – was zwangsläufig zur „Höchststrafe fürs Publikum“ führe: zur Langeweile.
Pienkos ergänzte: „Man muss verstehen, was der Komponist mit den Figuren meint – musikalisch und dramatisch.“ Dabei gehe es nicht nur um Inhalt, sondern auch um die Zeitgemäßheit: Wie bringe ich Figuren und Handlung so auf die Bühne, dass sie heutigen Menschen etwas sagen – ohne dem Werk Gewalt anzutun?
Ein anschauliches Beispiel war Die Fledermaus, deren Originaltext für heutige Ohren teilweise schwer zugänglich sei. Deshalb entschieden sich die beiden für eine Version von Gerhard Bronner – „nicht um modern zu sein, sondern um verstehbar zu bleiben“. Dass es auch in der Fachwelt zu Kritik kommen kann, verschwieg Obonya nicht: „Wenn man’s wagt, mal einen Chor neu zu positionieren oder einen historischen Bezug einzubauen, steht’s am nächsten Tag in der Zeitung: ‚Was erlaubt sich der Schauspieler?!’“ – begleitet von einem ironischen Augenrollen.
Im selben Zusammenhang erläuterte er auch, dass man in Italien niemals von Operette sprechen solle. Dieser Begriff gelte dort als abwertend und werde mit Leichtgewicht und Belanglosigkeit assoziiert. Stattdessen spreche man ehrfürchtig von Piccola Opera – der „kleinen Oper“ –, die trotz ihres Formats denselben künstlerischen Anspruch wie die große Schwester beanspruche.
Das Duo ließ das Publikum auch an logistischen Realitäten teilhaben: die Schwierigkeit, eine Inszenierung für eine Freiluftbühne wie St. Margarethen zu planen, mit 26 Meter hohen Bühnenbildern und tontechnischer Verzögerung, oder der Unterschied zwischen einem budgetstarken Haus wie der Scala und einer theatralischen Ruine wie Gars am Kamp, wo mit Fantasie, fünf Stühlen und etwas Licht ganze Opernwelten entstehen. Hier sei, so Pienkos, Fantasie gefragt – und manchmal auch Not, die zur Kreativität führe.
Intermezzo – Eva Vaskovich-Fidelsberger
Inmitten der künstlerischen Tiefe brachte Eva Vaskovich-Fidelsberger das Publikum zurück auf den Wiener Boden der Tatsachen – mit einem humorvollen Zwischenruf. Ihr Bonmot zur Rollenverteilung auf und hinter der Bühne – „Wenn zwei Regisseure heiraten, wird’s nicht leichter, aber sicher unterhaltsamer“ – sorgte für helles Gelächter.
Besonders amüsant: Ihre mit feiner Ironie formulierte Frage, ob man als Gattin nun automatisch Bühnenrechte auf Lebenszeit erwirbt – was Obonya prompt mit gespieltem Erstaunen kommentierte: „Das wäre mir neu – ich dachte, ich darf nur die Opernbühne benutzen, nicht die Wohnung!“
Ah, das war ein klassischer Obonya-Moment – trocken, pointiert und mit einer Prise Selbstironie.
Die Bemerkung kam im Kontext der gemeinsamen Regiearbeit mit seiner Frau Carolin Pienkos. Eva Vaskovich-Fidelsberger hatte mit feiner Ironie gefragt, ob man als Ehepartner eines Regisseurs oder einer Regisseurin automatisch Bühnenrechte auf Lebenszeit erhalte – also im Sinne von: Ist man durch die Ehe automatisch gleichberechtigt an jedem künstlerischen Projekt beteiligt?
Obonya nahm diesen scherzhaften Gedanken auf und drehte ihn ironisch weiter: Nein, ihm sei nichts von solchen „automatischen Rechten“ bekannt – nicht mal in den eigenen vier Wänden! Seine Antwort „Ich dachte, ich darf nur die Opernbühne benutzen, nicht die Wohnung!“ spielt darauf an, dass selbst in der Ehe (oder vielleicht gerade dort) nichts „automatisch“ geregelt ist – und dass zuhause ganz andere Regeln herrschen als auf der Bühne.
Mit einem Satz nimmt er also sich selbst, die Ehe, die Kunst und den Kulturbetrieb liebevoll auf die Schaufel. Und genau das macht seinen Charme aus.
Eva gelang es, die Spannung zwischen Kunstanspruch und Wiener Schmäh elegant aufzulösen – und dem Abend eine liebenswürdige Zwischennote zu verleihen.
Schlusswort – Prof. Dr. Kurt Tiroch
Nach dem intensiven, aber auch höchst unterhaltsamen Austausch trat nochmals Prof. Tiroch ans Mikrofon. Er dankte den beiden Gästen nicht nur für ihre Offenheit und Expertise, sondern auch für ihren Esprit – und den Mut, „große Oper auch einmal klein zu denken“.
Dann schloss er mit den Worten, die schon zur Tradition geworden sind:
„Meine Damen und Herren – jetzt wird die Suppe kalt und das Bier warm. Das sollten wir vermeiden.“
Der formale Teil endete heiter – es folgte ein geselliges Beisammensein, bei dem auf Kunst, Bühne und das gemeinsame Erleben angestoßen wurde, stilvoll begleitet von einem feinen Flying Dinner.
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