Rückblick auf den Vortrag von Dr. Stefanie Krisper „Sinn und Unsinn parlamentarischer Untersuchungsausschüsse“ in der Diplomatischen Akademie am 12. September 2024
Fotos: Wolfgang Geißler, Wolfgang Buchta, Wolfgang Menth-Chiari
Von Wolfgang Geißler
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse (PUA) sind ein wichtiges Kontrollinstrument des österreichischen Parlaments. Sie dienen der Aufklärung politischer Missstände und ermöglichen es den Abgeordneten, die Exekutive zu kontrollieren. In der Theorie sind sie ein zentrales Element der Demokratie: Sie sollen Transparenz schaffen, Verantwortlichkeiten klären und politische sowie administrative Fehlverhalten aufdecken. Der Ibiza-Skandal von 2019 ist ein prominentes Beispiel dafür, wie Untersuchungsausschüsse genutzt werden können, um Korruptionsvorwürfe zu beleuchten.
Doch obwohl die Theorie vielversprechend klingt, gibt es erhebliche Kritik an der tatsächlichen Wirksamkeit der Untersuchungsausschüsse. In der Praxis werden diese oft zu parteipolitischen Schlachtfeldern, wo weniger die Wahrheitsfindung im Vordergrund steht, sondern vielmehr der Versuch, politische Gegner zu schädigen. Dr. Stephanie Krisper, Abgeordnete der NEOS, hat als langjährige Teilnehmerin in mehreren UAs – unter anderem im Ibiza-UA – diese Dynamik aus nächster Nähe miterlebt.
Dr. Krisper, die seit 2017 als Abgeordnete im Nationalrat tätig ist, war federführend in vier großen Untersuchungsausschüssen: dem Ibiza-UA, dem Rot-Blauen Machtmissbrauchs-UA, dem Cofag-UA und dem ÖVP-Korruptions-UA. Sie galt als hartnäckige und kritische Stimme, insbesondere wenn es um die Aufklärung von Korruptionsvorwürfen ging. Ihr Engagement wurde jedoch nicht immer von Erfolg gekrönt – viele der UAs mündeten in frustrierenden, langwierigen Diskussionen, die oft mehr politisches Theater als substanzielle Aufklärung boten.
Dr. Krispers erstes einschneidendes Erlebnis war die Untersuchung der BVT-Hausdurchsuchung. In diesem Fall stieß sie zufällig auf die Hintergründe, was ihren Zugang zu UAs prägte. Sie erkannte schnell, dass die Untersuchungsausschüsse, obwohl sie als Instrument der Wahrheitssuche gedacht sind, in der Realität oft ins Leere laufen. Der Grund? Dokumente werden „geshreddert“, Fragen absichtlich in die Länge gezogen und die Debatten sind bisweilen schlimmer als Nationalratsdebatten.
Eine weitere Komplikation bei der Arbeit in den UAs ist das Stufensystem der Geheimhaltung, das gemäß dem Informationsordnungsgesetz (InfOG) regelt, wer auf welche Dokumente zugreifen darf. Dieses System reicht von „eingeschränkt“ (Stufe 1), das den Zugang für alle Mitglieder des Nationalrats erlaubt, bis hin zu „streng geheim“ (Stufe 4), bei der nur die höchsten Instanzen, wie die Präsidialkonferenz, Zugriff haben.
Besonders absurd wird es, wenn Abgeordnete nur Dokumente einsehen dürfen, diese aber nicht kopieren oder weitergeben können. Diese Intransparenz, die man als „kafkaesk“ bezeichnen kann, führt dazu, dass die Arbeit in den Ausschüssen oft ineffektiv und frustrierend wird.
Die Untersuchungsausschüsse stehen oft im Fokus der Medien, die die Verhandlungen als Spektakel für die Öffentlichkeit aufbereiten. Doch ironischerweise findet die eigentliche Beratung, da vertraulich, hinter verschlossenen Türen statt. Doch einige Medien sind zugelassen, was wahrhaftig widersprüchlich ist!
Ein weiteres Problem, das Dr. Krisper mehrfach thematisierte, ist der Einfluss parteipolitischer Interessen. Häufig wird die eigentliche Arbeit der Untersuchungsausschüsse von taktischen Manövern überschattet: Fragen werden in die Länge gezogen, Dokumente fehlen oder werden zerstört, und die eigentliche Aufklärung gerät ins Hintertreffen.
Untersuchungsausschüsse sind, wie Krisper selbst sagt, „eines der schärfsten Instrumente, das ein Parlament zur Kontrolle der Exekutive hat“[1]. Doch nach fünf Jahren intensiver Mitarbeit in solchen Ausschüssen ist Krisper zu der Überzeugung gelangt, dass sie oft sinnlos sind. Obwohl sie theoretisch zur Wahrheitsfindung dienen sollen, werden sie in der Praxis zu politischen Schlachtfeldern, auf denen es mehr um Machtspiele und Selbstdarstellung geht als um echte Aufklärung.
Es gibt auch die Frage, ob es sinnvoll ist, wenn Untersuchungsausschüsse mit dem Strafrecht verknüpft werden. Der Fall Sebastian Kurz z.B., gegen den Anzeige erhoben wurde, illustriert diese Problematik: Eine Person, die im UA als Zeuge zur Wahrheit verpflichtet ist, kann gleichzeitig als quasi Angeklagter nicht zur Wahrheit gezwungen werden. Ein juristisches Dilemma, das die Arbeit solcher Ausschüsse zusätzlich erschwert.
Und so bleibt die bittere Frage: Sind Untersuchungsausschüsse ein sinnvolles Mittel zur Kontrolle der Exekutive oder nur ein weiteres politisches Instrument, das hauptsächlich der Selbstdarstellung dient? Vielleicht sind sie beides. In einer idealen Welt könnten sie Missstände aufdecken und politische Verantwortung einfordern. In der Realität jedoch sind sie oft nicht mehr als das, was Krisper so treffend zusammenfasste: „Ein Spektakel für die Medien, bei dem die Wahrheit meist auf der Strecke bleibt.“[2]
Wenn UAs wirklich der Kontrolle dienen sollen, dann müssen sie sich grundlegend reformieren. Ansonsten bleibt der Eindruck, dass das größte Hindernis in den Ausschüssen nicht die komplexen Themen, sondern die eigene Ineffizienz ist. Und vielleicht ist das Schreddern von Dokumenten nur die symbolische Darstellung dessen, was hier wirklich geschieht: der langsame, aber sichere Zerfall des Vertrauens in die politische Aufklärung. Ein Hoch auf die Transparenz – die ironischerweise hinter verschlossenen Türen verborgen bleibt.
Wie unser Vizepräsident Botschafter Dr. Alexander Christiani, der den Vortrag unterhaltsam moderierte, es am Ende treffend zusammenfasste: „Frau Dr.Krisper hat frustrierende Erlebnisse mit einer humorvollen Leichtigkeit erzählt.“ Eine Eigenschaft, die in der politischen Welt vielleicht mehr gebraucht wird, als man denkt.
Nach dem Vortrag und der darauffolgenden Diskussion wurden wir diesmal nicht von der Diplomatischen Akademie, sondern von unserem eigenen Café Ministerium mit Hochriegel-Sekt und köstlichen Brötchen verwöhnt!
[1] NEOS Info Ein Untersuchungsausschuss ist kein Instrument für Wahlkampfschlachten | News | Programm | NEOS
[2] MaterieKrisper: „Wir müssen die Politik zwingen, sauber zu arbeiten“ – Materie