Ein Rückblick auf Prof. Dr. Johannes Grillari Vortrag am Mittwoch, 26. Februar 2025 im Café Ministerium
(Fotos von Wolfgang Geißler)
Von Wolfgang Geißler
Seit Jahrhunderten träumen Menschen vom Jungbrunnen – einer Quelle der ewigen Jugend. Die Sehnsucht, das Altern aufzuhalten, begleitet die Menschheit seit jeher, doch während früher magische Tränke und wundersame Quellen im Mittelpunkt standen, setzt die moderne Wissenschaft auf Forschung. Ziel ist es nicht, unsterblich zu werden, sondern Alterskrankheiten zu verhindern und die Lebensqualität im Alter zu verbessern.
Zugegeben, der Mythos vom Jungbrunnen ist selbst schon ein bisschen in die Jahre gekommen – aber er ist erstaunlich faltenfrei geblieben. Die Sehnsucht nach ewiger Jugend begleitet uns Menschen wohl seit der Entdeckung der ersten Falte auf einer steinzeitlichen Stirn. Über die Jahrhunderte wurden unzählige Tränke gebraut, Karten studiert und Expeditionen ausgeschickt – immer in der Hoffnung, irgendwo eine sprudelnde Quelle zu finden, die das Alter einfach wegspült.
Mittelalterliche Künstler malten sich diesen Traum genüsslich aus. Auf Gemälden sieht man klapprige Greise und Greisinnen links ins Wunderbecken steigen und rechts als rosige Jungspunde wieder herausklettern – zack, fertig ist die Blitz-Verjüngungskur. Der Renaissance-Maler Lucas Cranach der Ältere verewigte dieses Szenario 1546 sogar in Öl; man könnte sagen, der Jungbrunnen fungierte in der Vorstellung damals als eine Art Wellness-Oase des Spätmittelalters.
Auch Entdecker packte das Jugendfieber: Der spanische Abenteurer Juan Ponce de León durchkämmte 1513 angeblich Floridas Sümpfe auf der Suche nach dem magischen Nass – und fand statt ewiger Jugend am Ende vermutlich nur jede Menge Gelsenstiche. Heute belächeln wir solche Geschichten – während wir uns gleichzeitig die neueste Anti-Aging-Creme ins Gesicht schmieren, als hätten wir aus den Mythen nichts gelernt. Statt Ritterrüstung tragen die Jugendjäger von heute Laborkittel, statt Zaubertrank gibt’s Hyaluronspritzen und grüne Smoothies. Wissenschaftler tüfteln an Genen, Zellen und Wunderpillen, während Tech-Milliardäre vom digitalen Jungbrunnen träumen. Eines hat sich über die Jahrhunderte jedenfalls nicht geändert: die unerschütterliche Hoffnung, dem Alter ein Schnippchen zu schlagen – am liebsten (wenn möglich) ganz ohne Falten.
Bevor wir uns aber Prof. Dr. Johannes Grillari und seinem Vortrag widmen wenden wir uns zur Einleitung durch Prof. Dr. Kurt Tiroch
Prof. Dr. Kurt Tiroch, unser so rühriger Präsident der Österreichisch-Britischen Gesellschaft, begrüßte die Gäste herzlich und informierte über bevorstehende Veranstaltungen, darunter eine ausgebuchte Reise nach Cornwall und eine geplante Exkursion nach Saudi-Arabien im Herbst mit einem exklusiven Besuch bei Saudi Aramco. Weiters, so kündigte er an, haben wir am 27. März einen Termin mit Professor Lothar Höbelt in englischer Sprache über Peace Making oder Peace Keeping. Nach diesen organisatorischen Hinweisen leitete er zum Hauptthema des Abends über: Anti-Aging – wissenschaftliche Erkenntnisse über das Altern und mögliche Gegenmaßnahmen. Als Experten stellte er Prof. Dr. Johannes Grillari vor.
Prof. Dr. Johannes Grillari, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Experimentelle und Klinische Traumatologie, erläuterte in seinem Vortrag die biologischen Mechanismen des Alterns. Altern ist ein komplexer Prozess, der mit dem fortschreitenden Verlust von Zell- und Gewebefunktionen einhergeht und zu altersbedingten Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Problemen, Diabetes mellitus und Osteoporose führt.
Ein zentraler Aspekt seiner Forschung sind seneszente Zellen – gealterte Zellen, die sich nicht mehr teilen, jedoch Entzündungen fördern und so den Alterungsprozess beschleunigen. Wissenschaftler arbeiten an Senolytika, Wirkstoffen, die gezielt seneszente Zellen beseitigen, um Alterserscheinungen zu reduzieren. Tierversuche haben gezeigt, dass die Entfernung dieser Zellen die Gesundheit verbessert und die Lebensspanne um bis zu 40 % verlängern kann.
In Experimenten mit alten Mäusen konnte gezeigt werden, dass die gezielte Entfernung seneszenter Zellen erstaunliche Effekte hat: Die behandelten Tiere wiesen weniger Altersmarker im Gewebe auf, ihre Muskel- und Nervenfunktion verbesserte sich, und sie lebten durchschnittlich 40 % länger. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für die Medizin – und die Hoffnung auf ein längeres, gesünderes Leben.
Grillari stellte außerdem alternative Anti-Aging-Strategien vor: Intermittierendes Fasten, regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung können den Alterungsprozess verlangsamen.
Der Prozess der Autophagie ist ein natürlicher Mechanismus, bei dem Zellen beschädigte oder überflüssige Bestandteile abbauen und recyceln. Dies trägt zur Zellreparatur und -erneuerung bei und unterstützt die allgemeine Gesundheit des Organismus.
Intermittierendes Fasten kann die Autophagie fördern. Dabei werden geplante Essenspausen eingelegt, um dem Körper Zeit zur Regeneration zu geben. Beliebte Methoden sind das 16:8-Fasten, bei dem 16 Stunden gefastet und innerhalb eines 8-Stunden-Fensters gegessen wird, oder das Alternate-Day-Fasting, bei dem jeden zweiten Tag gefastet wird. Diese Fastenpraktiken können den Insulinspiegel senken und den Körper dazu anregen, auf eigene Energiereserven zurückzugreifen, wodurch die Autophagie aktiviert wird.
Während viele Nahrungsergänzungsmittel keine wissenschaftlich belegte Wirkung haben, gibt es vielversprechende Substanzen wie Metformin und Spermidin, die weiter erforscht werden. Zudem berichtete er über eine Kooperation mit Chanel, in der ein Pflanzenextrakt zur Verbesserung der Hautstruktur entwickelt wurde.
In der anschließenden Diskussion standen die neuesten Erkenntnisse aus der Anti-Aging-Forschung im Mittelpunkt. Teilnehmer fragten nach der Wirkung von Hyaluronsäure und Spermidin, wobei Grillari bestätigte, dass beide Substanzen positive Effekte auf den Alterungsprozess haben könnten. Zudem wurde der Zeithorizont für eine mögliche klinische Anwendung von Senolytika diskutiert – die Zulassung für den Menschen dürfte jedoch noch mehrere Jahre dauern.
Ein weiteres Thema war die Unterscheidung zwischen wissenschaftlich fundierten Anti-Aging-Methoden und fragwürdigen kommerziellen Produkten. Grillari betonte, dass kosmetische Cremes mit geprüfter Wirksamkeit tatsächlich Effekte zeigen können, während viele vermeintliche Wundermittel ohne fundierte Studien wenig Nutzen haben.
Im Laufe des natürlichen Alterungsprozesses wird die oberste Hautschicht, die Epidermis, zunehmend dünner. Forschungen haben gezeigt, dass die Behandlung alternder Hautzellen mit Goldruten-Extrakt in Zellkulturen (in vitro) die Dicke der Epidermis wiederherstellen kann. Diese Entdeckung führte zu einer Zusammenarbeit zwischen der Medizinischen Universität Wien und dem Kosmetikunternehmen Chanel. Chanel entwickelte auf Basis dieser Forschung ein Hautpflegeprodukt, das in klinischen Studien die Epidermisdicke bei Anwenderinnen erhöhte. Eine dickere Epidermis verbessert nicht nur das Erscheinungsbild der Haut, sondern stärkt auch ihre Barrierefunktion, was den Feuchtigkeitsverlust reduziert und die allgemeine Hautgesundheit fördert.
Interessanterweise wurde der verwendete Pflanzenextrakt während der Entwicklung als „Code 1201“ bezeichnet. In Anlehnung an das berühmte „Chanel N°5“ scherzten die Forscher: „Forget Chanel Number 5, it’s 1201.“ Das Marketingteam von Chanel griff diese Idee auf, und so entstand das Produkt „Chanel N°1“, das seit etwa zwei Jahren auf dem Markt ist. Wenig bekannt ist, dass dieses Produkt aus einer Kooperation zwischen Chanel, der Medizinischen Universität Wien und der dortigen Dermatologie-Abteilung hervorgegangen ist.
Die Goldrute (Solidago) ist traditionell für ihre entzündungshemmenden und harntreibenden Eigenschaften bekannt und wird häufig zur Behandlung von Harnwegsinfektionen eingesetzt. Die Entdeckung ihrer positiven Wirkung auf die Haut eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten in der Dermatologie und Kosmetik.
Diese erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen akademischer Forschung und Industrie zeigt, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in innovative Produkte umgesetzt werden können, die sowohl ästhetische als auch gesundheitliche Vorteile bieten.
In der anschließenden Diskussion standen die neuesten Erkenntnisse aus der Anti-Aging-Forschung im Mittelpunkt.
Mag. Eva Vaskowich-Fidelsberger (Vorstandsmitglied der ABS): Meine ursprüngliche Frage wurde bereits beantwortet – nämlich, wann die Forschungsergebnisse tatsächlich auf den Menschen übertragen werden können. Vielen Dank für diesen faszinierenden Vortrag! Doch eine persönliche Frage hätte ich noch: Wie wirksam ist Chanel Nummer 1? Ab welchem Alter oder bis zu welchem Alter kann es tatsächlich noch helfen?
Prof. Dr. Grillari: Grundsätzlich sollte die Wirkung unabhängig vom Alter sein. Ich habe Daten zu einer der ersten Cremes gesehen, die tatsächlich beeindruckend sind. Bei Chanel Nummer 1 war ich allerdings nicht mehr in der Kooperation involviert, daher kann ich dazu keine konkreten Aussagen machen. Aber testen Sie es einfach – Sie werden es selbst feststellen!
Prof. Dr. Kurt Tiroch: Vielen Dank, Eva! Ich wollte gerade sagen – probiere es aus, und berichte uns!
Zum Abschluss bedankte sich Prof. Dr. Tiroch bei Prof. Dr. Grillari für den spannenden Vortrag und fügte seinen bereits legendären Ausspruch hinzu: Meine Damen und Herren, wie immer: Die Suppe wird kalt, das Bier wird warm. Es ist Zeit für den inoffiziellen Teil des Abends. Noch einmal ein herzliches Dankeschön an unseren Referenten!
Was dann folgte, war die bereits berühmte Gastfreundschaft des Café Ministerium mit den herrlichen Speisen des vorzüglichen „Flying Dinner“ sowie einem schier endlosen Strom an Weinen und Getränken. Dies führt mich abschließend zu Tante Jolesch und ihren Krautfleckerln.
Die berühmte Anekdote über Tante Jolesch und die Krautfleckerl stammt aus Friedrich Torbergs Buch Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes in Anekdoten und ist ein wunderbares Beispiel für den scharfzüngigen jüdischen Witz.
Krautfleckerln waren die berühmteste unter den Meisterkreationen der Tante Jolesch. Wenn es ruchbar wurde, dass die Tante Jolesch für nächsten Sonntag Krautfleckerln plante – und es wurde unweigerlich ruchbar, es sprach sich unter der ganzen Verwandtschaft, wo immer sie hausen mochte, auf geheimnisvollen Wegen herum, nach Brünn und Prag und Wien und Budapest und (vielleicht mittels Buschtrommel) bis in die entlegensten Winkel der Puszta –, dann setzte aus allen Himmelsrichtungen ein Strom von Krautfleckerl-Liebhabern ein, die unterwegs nicht Speise noch Trank zu sich nahmen, denn ihren Hunger sparten sie sich für die Krautfleckerln auf, und den Durst löschte ihnen das Wasser, das ihnen in Vorahnung des kommenden Genusses im Mund zusammenlief. Und ein Genuss war’s jedes Mal aufs neue, ein noch nie dagewesener Genuss.
Jahrelang versucht man der Tante Jolesch unter allen möglichen Listen und Tücken das Rezept ihrer unvergleichlichen Schöpfung herauszulocken. Umsonst. Sie gab’s nicht her. Und da sie mit der Zeit sogar recht ungehalten wurde, wenn man auf sie eindrang, ließ man es bleiben.
Und dann also nahte für die Tante Jolesch das Ende heran, ihre Uhr war abgelaufen, die Familie hatte sich um das Sterbelager versammelt, in die gedrückte Stille klangen murmelnde Gebete und verhaltenes Schluchzen, sonst nichts. Die Tante Jolesch lag reglos in den Kissen. Noch atmete sie.
Da fasste sich ihre Lieblingsnichte Louise ein Herz und trat vor. Aus verschnürter Kehle, aber darum nicht minder dringlich kamen ihre Worte:
„Tante – ins Grab kannst du das Rezept ja doch nicht mitnehmen. Willst du es uns nicht hinterlassen? Willst du uns nicht endlich sagen, wieso deine Krautfleckerln immer so gut waren?“
Die Tante Jolesch richtete sich mit letzter Kraft ein wenig auf: „Weil ich nie genug gemacht hab…“
Sprach’s, lächelte und verschied.
An genau diese legendären Krautfleckerln musste ich denken, denn die des Café Ministerium waren wirklich köstlich!
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