Rückblick auf das Gespräch „Die internationale Diplomatie in der Krise?“ mit Botschafterin Dr. Eva Nowotny und Vizepräsident Botschafter Dr. Alexander Christiani am 5.März 2024 im Cafe Ministerium.

Fotos: Wolfgang Geißler, Wolfgang Menth-Chiari und Wolfgang Buchta.

Von Wolfgang Geißler

Es gehört zu den bisweilen merkwürdigen Zufällen, dass sowohl Dr. Eva Nowotny als auch Dr. Alexander Christiani Botschafter der Republik Österreich in Großbritannien zur selben Zeit meiner vierzigjährigen Tätigkeit in diesem Land waren und mich, metaphorisch gesprochen, als solche zumindest von 1997 bis 2005 begleiteten. Somit ist es, was Zufälle betrifft, auch erfreulich, dass beide ehemaligen Botschafter zahlende Mitglieder der Österreichisch-Britischen Gesellschaft sind, ein Umstand, auf den Dr. Nowotny gestern einen besonderen Wert legte, hinzuweisen. Während ich selbstverständlich Botschafter Christiani als meinen Vizepräsidenten unserer Gesellschaft schon seit Jahren kenne, glaube ich, Botschafterin Nowotny bis heute noch nicht persönlich getroffen zu haben. Und dennoch ist sie mir in guter Erinnerung. Aus Anlass der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 veröffentlichte damals der „Daily Telegraph“ einen glühenden Kommentar, der mit dem Wunsch des Autors endete, dass sich endlich der dritte „deutsche“ Staat, Österreich, dem wiedervereinten Deutschland gefälligst anschließen möge. Dem folgte sofort die Abfuhr in einer geharnischten Replik von Dr. Nowotny aus Wien, die in der Zeitung veröffentlicht und somit von mir gelesen wurde. Sicherheitshalber fragte ich gestern bei Dr. Nowotny nach, ob meine Erinnerung korrekt wäre, was sie mir bestätigte.

Das Café Ministerium, das wieder einmal als Gastgeber fungierte, war bis zum Bersten voll. Nicht nur die wissbegierigen Mitglieder der Österreichisch-Britischen Gesellschaft, sondern auch die der Komturei Wien – Schloss Belvedere des St. Georgs Ordens waren zugegen, als Vizepräsident Botschafter Dr. Alexander Christiani in seiner Einleitung begann, den Titel des Vortrags „Die internationale Diplomatie in der Krise?“ zu analysieren. Ist die Diplomatie wirklich in einer Krise, oder sollten wir eher über Diplomatie in Krisenzeiten reden? Auch das Fragezeichen in der Überschrift wurde infrage gestellt, ob es eher ein Rufzeichen hätte sein sollen.

„Die Zeiten der klassischen bilateralen Diplomatie sind vorbei. Mit den fundamentalen Veränderungen im globalen System haben sich auch die Aufgaben der Diplomatie verändert. Diplomaten sehen sich gerade in diesen krisenhaften Zeiten herausgefordert, die unausweichlichen Verschiebungen zu managen und oft im Hintergrund, ohne Scheinwerferlicht, Lösungsansätze zu erarbeiten sowie einen Rahmen für Zusammenarbeit und Verlässlichkeit aufrechtzuerhalten. Eine besondere Verantwortung liegt in der Betreuung der multilateralen Diplomatie, ohne die die internationalen Organisationen zusammenbrechen würden.“ So äußerte sich Botschafterin Dr. Eva Nowotny schon in der Einladung zu diesem Event, womit eigentlich nahezu alles gesagt worden ist.

Diplomatie ist Friedensarbeit! Dr. Christiani erkennt jedoch mächtige Feinde der Diplomatie: Propaganda, Fake News, Manipulation und Cyberangriffe. Das Vertrauen in die Diplomatie ist wesentlich!

In einem Zwiegespräch zwischen Dr. Christiani und Dr. Nowotny, das diese mit einem „Ping-Pong-Spiel“ verglich, denn der eine warf der anderen Behauptungen oder Fragen zu, um diese beantwortet oder zumindest kommentiert zu sehen, wurden uns die Grenzen einer multilateralen Diplomatie offengelegt, die auf der politischen Ebene liegen. Oder anders ausgedrückt: Politik sticht leider immer Diplomatie.

Dr. Christiani versprach uns einleitend gewisse Goldene Regeln der Diplomatie als Alltagshandlungsanleitungen:

  1. Zeigen Sie sich nachgiebig im Stil, aber hart in der Sache.
  2. Beweisen Sie mehr Geduld als Ihr Gegenüber.
  3. Stiften Sie Frieden, bevor der Konflikt eskaliert.
  4. Helfen Sie allen Beteiligten, ihr Gesicht zu wahren.
  5. Sammeln und pflegen Sie Informationen und Kontakte.
  6. Seien Sie ehrlich, aber geben Sie nur Informationen preis, die man von Ihnen erwartet.
  7. Finden Sie selbst im schärfsten Gegensatz nach der verbindenden Gemeinsamkeit.
  8. Bieten Sie Alternativen an, aber geben Sie sich selbst vor.
  9. Zerhauen Sie keine gordischen Knoten, sondern setzen Sie auf Salamitaktik.

Und Botschafterin Dr. Nowotny fügte hinzu:

  1. Lernen Sie zuzuhören.
  2. Beschäftigen Sie sich mit der Geschichte.

Dem folgte eine intensive Befragung Dr. Nowotnys, die über eine halbe Stunde dauern sollte, streng kontrolliert durch unseren Präsidenten Prof. Dr. Kurt Tiroch, der hin und wieder Anleitung zur Handhabung des Mikrofons erteilen musste.

Nach insgesamt einer Stunde und fünfzehn Minuten intervenierte unser Präsident mit den schon bekannten Worten: „Alle Fragen sind beantwortet worden. Aber jetzt werden das Bier und der Wein warm, und die Suppe kalt. Somit hat unser Vizepräsident das Schlusswort.“ Dr. Christiani war sichtlich (naja!) gerührt, dass man ihm, der Nummer Zwei der Gesellschaft, das Schlusswort erteilen würde. Und das tat er dann auch. „Wir beide,“ fuhr er fort, womit er Dr. Nowotny und sich meinte, „sind im Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik, und die Vereinten Nationen und deren Präsident ist Wolfgang Schüssel, und der sagt immer am Ende: ‚Kommen Sie wieder’.“ Tosender Beifall!

Doch jetzt sprang die Maschinerie des Café Ministeriums mit voller Kraft an und servierte uns eine fast endlose Reihe eines wirklich ausgezeichneten Flying Dinners samt den dazugehörigen Getränken (wovon es viele gab!)

Wieder endete ein großartiger Abend in unserem Café Ministerium. Aber was für ein Abend es doch war!

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