Ein Rückblick auf den Vortrag von Univ. Professor emeritus, Mag. pharm, Dr. med et Dr. theol. Matthias Beck mit dem Thema „Medizin und Theologie – Kann der Glaube überhaupt naturwissenschaftliche Fragen beantworten?“ am Mittwoch, 17. Jänner 2024 im Curhaus, dem Pfarrhaus St. Stephan, Stephansplatz 3, Leosaal, 1010 Wien.

 Fotos: Wolfgang Geißler und Wolfgang Buchta

Von Wolfgang Geißler

Am 9. November 2020 wurde Prof. DDr. Matthias Beck in Wien interviewt. Das Gespräch fand anlässlich der Seligsprechung des Gründers der Salvatorianischen Gemeinschaften, P. Franziskus Jordan, statt, die am 15. Mai 2021 in Rom stattfand. Ich habe wesentliche Auszüge aus diesem Gespräch wiedergegeben, da sie relevant sind.

„Leider haben wir das ganze Heilende aus dem Christentum, ich möchte nicht sagen verbannt, aber ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Der gesamte christliche Vollzug sollte heilend sein. Je mehr ich mich in den göttlichen Willen füge, desto klarer wird es innerlich, finde ich tiefen Frieden und desto klarer können auch die physiologischen Abläufe funktionieren.

In einem Vortrag sagte einmal der Dalai Lama: Wenn die Naturwissenschaft etwas erforscht, das dem Buddhismus widerspricht, dann müssen wir die buddhistische Lehre ändern. Von einem Islamwissenschaftler hörte ich einmal – das gilt aber nicht für den gesamten Islam – , dass die Naturwissenschaftler ihre Meinung ändern müssen, wenn sie etwas erforschen, was dem Koran widerspricht. Ich habe dann gesagt, wir Katholiken sind so in der Mitte. Bis 1965, bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, wollten wir noch starken Einfluss auf die Naturwissenschaften nehmen. Dann erst hat die Kirche die Naturwissenschaften großzügig in die Freiheit entlassen und gesagt, das, was ihr erforscht, erkennen wir an. Als Naturwissenschaftler und Mediziner meine ich, wir können sehr viel von den Naturwissenschaften lernen. Ich denke da zum Beispiel an die ganzen Erkenntnisse aus den Forschungsfeldern Genetik und Epigenetik, also dass die Information im Organismus ein dialogisches Prinzip ist. Das ist perfekt kompatibel mit unserem dreifaltigen Gott. Gerade heute stehen die Türen sperrangelweit offen, und man kann die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse gut in die Theologie integrieren. Die Theologie kann sogar davon inspiriert werden und so profitieren. Sie könnte diese Integration in hervorragender Weise schaffen. Die naturwissenschaftlichen Weltbilder färben stark auf Gottesbilder ab.“

Diese Erklärung nimmt schon zum großen Teil vorweg, worüber im Thema „Medizin und Theologie – Kann der Glaube überhaupt naturwissenschaftliche Fragen beantworten?“ am Mittwoch gesprochen wurde. Nein, kann er nicht, der Glaube, so Matthias Beck in seinem Schlusswort, aber der Glaube wirkt in die menschliche Natur hinein.

Medizin als Naturwissenschaft agiert atheistisch, denn sie fragt nicht nach Gott, dennoch muss sie sich mit der Religiosität des Menschen befassen, denn der Geist ist der Aspekt des Menschen. 60-70% der Krankheiten haben einen religiösen Hintergrund, so DDr. Beck. Die Medizin, Genetik und Epigenetik, muss sich mehr mit dem Innenleben des Menschen befassen. Die Psychoneurommunologie, etwa, ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, das sich mit der Wechselwirkung der Psyche, des Nervensystems und des Immunsystems beschäftigt. Die Pharmakogenomik befasst sich ebenso wie die Pharmakogenetik mit dem Einfluss der Erbanlagen, dem Genom, auf die Wirkung von Arzneimitteln. Jeder Patient reagiert auf dieselben verabreichten Arzneimittel unterschiedlich. Kopfschüttelnd beklagt Matthias Beck, wie grob man doch mit Medikamenten umgeht. „Ich sage immer,“ so DDr. Beck „dass man ein Krankenhaus lebend verlässt, ist ein Wunder.“

In der Theologie wird oft von den Gläubigen, dem Volk Gottes und der Kirche gesprochen. Dabei dreht es sich um jeden Einzelnen, denn jeder von uns ist der Tempel des Heiligen Geistes.

Das eigene Menschenbild gilt häufig als so selbstverständlich, dass es kaum in Frage gestellt wird. Wurden wir etwa gefragt, ob wir hier sein wollten? Wir wurden einfach gezeugt und in die Welt hineingeworfen.

Überwältigt und überfordert von unerklärlichen Naturgewalten schuf sich der frühe Mensch zur Erklärung Götter. Ludwig Feuerbach nannte das „Projektion des Menschen“, eine Erschaffung der Götter von unten nach oben.

Doch dann kommt das Judentum mit dem Urgrund des Seins. Der brennende Dornbusch beschreibt die erste Begegnung des Moses mit dem Gott JHWH. Dieser erscheint ihm auf dem Berg Horeb in einem brennenden Dornbusch, ruft ihn beim Namen und beauftragt ihn zur Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten. Gefragt, nach Seinem Namen spricht JHWH „Ich bin, der ich da bin.“

Gott tritt von sich aus auf „ihr habt mich gesucht, jetzt trete ich hervor“. Die Offenbarung.

Er spricht zum Volk, Er spricht zu den Propheten. Er gibt ihnen die 10 Gebote. Er führt sie in die Freiheit. „Wenn du die Freiheit nicht verlieren willst, dann halte dich an die Gebote.“

Vom hebräischen „Dabar“ (sprechen oder handeln) über den griechischen „Logos“ (das Sprechen und Handeln Gottes) zum deutschen „Wort“, das „Mensch wird“.

Das Christentum ist eine logische Religion, der Logos, das Handeln Gottes, ist in der Natur vorhanden, daher erforscht die Logik die Natur wie etwa in Biologie (Leben-Logik).

Es besteht daher kein Widerspruch zwischen Naturwissenschaft und Theologie.

Der eine Schöpfer hat die Welt geschaffen, der Vater und derselbe Gott ist in mir als der Heilige Geist und derselbe Gott zwischen uns, wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich unter ihnen: das ist Jesus Christus. Die Trinität! Gott ist in sich selbst Beziehung, Dialog und Liebe. Gott ist ganz frei. Er braucht die Welt nicht. Er schafft auch den Menschen als freies Wesen.

Was also ist Christentum?

  • Dreifaltigkeit
  • Zwei Naturen Jesus: Ganz Gott und ganz Mensch.

Daher ist der Mensch mehr als nur Mensch. Er ist ein Wesen der Transzendenz. „Er überschreitet sich um ein Unendliches“ (Blaise Pascal). Er könnte sonst nicht das Relative als relativ erkennen.

Diese Einsicht hat die Kirche vernachlässigt und zugestopft mit moralischen Vorschriften, so DDr. Beck. Die Menschen sind im Innersten schwer krank, wobei „krank“ von „krumm“ kommt. Der in sich gekrümmte Mensch. Es gibt nur eine Sünde, die Abwendung von Gott: alles andere folgt daraus.

Die Eucharistiefeier kommt aus dem Judentum, dem Paschamahl, der Befreiungsfeier Israels. Während dieser bricht Jesus (DDr. Beck macht mit einem gewissen Sarkasmus klar, dass Jesus weder katholisch noch protestantisch war, er war nicht einmal ein Christ) Brot und reicht den Kelch („Das ist mein Leib, das ist mein Blut“). Hier wird das Sakrament der Eucharistie gestiftet. Da der Mensch von Haus aus auf das Göttliche ausgerichtet ist und von Haus aus mehr als nur Mensch ist, muss er mit geistlicher Nahrung ernährt werden, denn sonst wird er „krumm“. Wie überhaupt Krankheit oder Gesundheit eine Frage des Gleichgewichts ist. Das seelische Gleichgewicht ist wesentlich für das Immunsystem.

Wir beten: „Dein Wille geschehe“. Ist das Fremdbestimmung? Im Laufe der Jahrhunderte hat die Kirche die kirchliche Struktur an die Stelle Gottes gestellt. „Ich, die Kirche, sage dir, was du zu tun hast!“ Das haben die Leute zurecht als Fremdbestimmung empfunden, so DDr. Beck.

Das Christentum ist genau das Gegenteil! Es gibt nur eine Autorität, und das ist die Autorität des göttlichen Geistes, des Heiligen Geistes, und er wohnt in uns. Wenn man diesem Geist folgt, ist man nicht fremdbestimmt, sondern man folgt der eigenen Identität. Die Doppel-Natur des Menschen besteht aus einem Göttlichen und Menschlichen (nur bei Jesus war es 100%).

Wünschenswert ist die Kombination aus einer guten aufgeklärten christlichen Theologie und den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Medizin. Viel zu viel wurde über Moral gesprochen, aber viel zu wenig über das Existenziale des Menschen! Der göttliche Wille ist in mir, den man suchen und auch finden kann! Das ist wohl keine Garantie für die Gesundheit, aber das Wesentliche, es heißt doch „Mens Sana in Corpore Sano!“, denn ein gesunder Geist ist die Voraussetzung für einen gesunden Körper.

Was dann folgte, war eine 40-minütige Diskussion, bei der die Zuhörer tiefgründige Fragen stellten, die genauso tiefgründig und geduldig von Prof. DDr. Beck beantwortet wurden.

Dr. Alexander Christiani

„Wo bekommen Sie das exklusiv: in der Österreichisch-Britischen Gesellschaft!“, mit diesen Worten beendete unser Vizepräsident Botschafter Dr. Alexander Christiani, der es erst durch seine Beharrlichkeit ermöglichte, dass wir dem Prof. DDr. Beck zuhören durften, dessen Vortrag und erntete tosenden Applaus. Zu Recht!

Unser Vizepräsident moderierte, wie immer, gekonnt diese nahezu eineinhalb Stunden eines wahrhaftigen Feuerwerks an Inhalt und Rhetorik des Prof. Becks.

Er vergaß auch nicht unseren Jochen Ressel besonders zu hervorzuheben, seines Zeichens Secretary General unserer Gesellschaft, Tenor im Dom Chor zu Sankt Stefan und jüngst als Leiter für Kommunikation & Fundraising des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens – Großpriorat von Österreich- tätig. Durch Jochens Verbindung mit St. Stefan ermöglichte er uns den Vortrag im Leo Saal zu abzuhalten.

Abschließend muss ich Folgendes berichten. Dr. Christiani fragte die Teilnehmer ganz am Ende der Diskussion: „Sie wissen, was Sie draußen erwartet. Seien Sie jetzt ehrlich, was ist Ihnen wichtiger: eine geistliche oder eine kulinarische Nahrung?“ „Beides!“ schall es aus der Richtung DDr. Becks.

Es klingt nach dieser intellektuellen Reise fast banal, doch die köstlichen Brötchen und Getränke, bereitgestellt und serviert von unserem Café Ministerium, waren uns am Ende doch sehr willkommen.

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