Ein Rückblick auf das Bayerisch-Britischen Oktoberfest 2024, am Samstag 5. Oktober 2024
Im Restaurant im ersten Stock des Bermuda Bräu

Fotos: Wolfgang Geißler & Wolfgang Buchta

Von Wolfgang Geißler

Während meiner Zeit als Volontär, ein Euphemismus für „unterbezahlter Praktikant“, von 1966 bis 1969 im Hotel Vierjahreszeiten, Maximilianstraße, München, stattete ich dem Oktoberfest zwei Besuche ab. Damals verteilten die Brauereien wie Löwenbräu und Spatenbräu großzügig Freibiergutscheine an das Hotelpersonal, von denen ich jedes Mal pro Brauerei drei oder vier ergattern konnte. Vielleicht tun sie das heute noch? Frohen Mutes ging es dann mit Kollegen auf die Wies’n, die Theresienwiese, wo riesige Zelte aufgestellt waren, jedes von einer der großen bayerischen Brauereien belegt. Wir mussten nur ins richtige Festzelt kommen, um unsere Gutscheine in Bier umzuwandeln. Das allein war kein Problem, aber einen Platz zu finden, trotz des Gigantismus der Zelte, war schwierig. Hunderte fröhliche Zecher saßen an langen Bänken vor ihren Maßkrügen und schunkelten wie verrückt zur extra lauten Blasmusik.

Das wilde Schunkeln – eine eher deutsche Eigenart, die sich in Österreich eher im ruralen Westen durchgesetzt hat, denn der Wiener liebt eher die Weinseligkeit – führte gelegentlich dazu, dass die Person am Ende einer Bank, losgelassen vom Nachbarn, plötzlich auf dem Boden landete. Was für eine Gaudi! Bewundernswert waren die vollbusigen Kellnerinnen, die bis zu ein Dutzend Maß auf einmal heranschleppten. In regelmäßigen Abständen unterbrach sich die Kapelle mit einem gewaltigen Tusch, gefolgt von einem gebieterisch gebrüllten „Oans, zwoa, g’suffa!“. Spätestens dann wurde einem klar, dass die Maß, die vor einem stand und vor kurzem noch von appetitlichem Schaum gekrönt war, nun in sich zusammengesackt war und in der Mitte des Kruges nur noch ein armseliger Bierpegel zu sehen war.

Eine Maß Bier ist bekanntlich ein Liter, doch in Wirklichkeit schenkten die Braugesellen oft nur etwa einen halben Liter Bier aus. Beschweren half zwar wenig, dennoch fanden viele ihren Weg, sich kräftig zu besäuseln. Etliche „Bierleichen“ säumten draußen die Pfade, wenn man sich durch die Steckerlfisch- oder Haxn-Buden schlängelte. Zünftige bayerische Mannsbilder watschten sich draußen tüchtig ab – auch mithilfe von leeren Maßkrügen. A echte Gaudi muaß sein! Und das verbotene Entwenden von Krügen? Ein wahrer Volkssport.

Kurioserweise findet das Oktoberfest nicht im Oktober, sondern im September statt. Das hat aber nichts mit dem julianischen Kalender zu tun, weswegen die russische Oktoberrevolution nicht im Oktober, sondern nach dem allgemein gültigen gregorianischen Kalender im November stattfand.

Das Oktoberfest findet im September statt, um den Besuchern besseres Wetter zu bieten. Ursprünglich begann das erste Oktoberfest tatsächlich im Oktober 1810, zur Feier der Hochzeit von Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. Damals wurde noch an einem einzigen Tag gefeiert.

Da das spätere Oktoberwetter in München oft kälter und unbeständiger ist, wurde das Fest im Laufe der Zeit schrittweise nach vorne verlegt, um sonnige Tage und angenehmere Temperaturen im September zu nutzen. Es endet traditionell am ersten Sonntag im Oktober, was den Namen „Oktoberfest“ trotz des früheren Starts beibehalten hat.

Und somit kommen wir frisch und fröhlich beim Bayerisch-Britischen Oktoberfest 2024 im Restaurant im ersten Stock des Bermuda Bräu, Rabensteig 6, an, das – wie es sich gehört – tatsächlich im Oktober stattfindet.

Die „Flotte Musi“, normalerweise bestehend aus acht Musikanten, hatte sich aufgrund der Lokalität vernünftigerweise auf vier Mitglieder reduziert und begrüßte uns schon um 11 Uhr mit volkstümlichen Weisen auf Trompete, Posaune und Tuba. Nicht nur das – etliche Mitglieder tummelten sich bereits in bester Stimmung mit Wein- oder Biergläsern in der Hand. Der Verfasser dieser Zeilen darf wahrheitsgemäß berichten, dass auch er, nach kurzem Zögern – es war ja immerhin erst 11 Uhr – freudig nach einem Glas „Schneiderweisse“ griff. Und was soll ich sagen: Es, aber auch das nächste, mundete köstlich.

Erschöpft von einem „präventiven“ Gang zum WC, immerhin drei Stockwerke hinunter und zurück, ließ ich mich schließlich an einem Tisch nieder. Dort waren die köstlichsten Aufstriche bereitgestellt: Liptauer, Obazda und Verhackertes, dazu Laugenbrezeln und Salzstangerln. Einfach köstlich – und das nicht nur zu Bier, sondern auch zu Wein!

Da meine Tischnachbarn neugierig fragten, was denn Obazda und Verhackertes eigentlich seien – Liptauer kannten die meisten ja bereits – folgt hier eine kurze Beschreibung. Meine „rückblickenden“ Berichte haben auch einen Lehrauftrag!:

1. Obazda

Obazda ist ein traditioneller bayerischer Aufstrich, besonders beliebt in Biergärten. Er ist cremig und wird vorwiegend aus reifem Weichkäse hergestellt, was ihm seinen würzig-aromatischen Geschmack verleiht.

Typische Zutaten:

  • Camembert oder Brie als Basis (oft in Kombination mit Frischkäse)
  • Butter
  • Zwiebeln, fein gehackt
  • Paprikapulver (süß oder scharf)
  • Salz, Pfeffer und optional ein Schuss Bier

Geschmack und Konsistenz:

Obazda ist cremig und pikant, mit einer mild-würzigen Käsenote und einer leichten Schärfe vom Paprikapulver. Die Zwiebeln sorgen für zusätzlichen Biss.

2. Verhackertes

Verhackertes ist ein deftiger steirischer Aufstrich, der aus gehacktem Speck hergestellt wird. Dieser Aufstrich hat eine feste, streichfähige Konsistenz und ist besonders würzig.

Typische Zutaten:

  • Gesalzener Speck (Bauch- oder Rückenspeck), fein gehackt
  • Schmalz oder Butter
  • Knoblauch, fein gehackt
  • Salz und Pfeffer

Geschmack und Konsistenz:

Verhackertes ist würzig und kräftig im Geschmack, mit einer deutlichen Specknote, die durch den Knoblauch noch intensiviert wird.

3. Liptauer

Liptauer ist ein würziger Aufstrich, der besonders in Österreich, Ungarn und der Slowakei verbreitet ist. Er wird meist aus Topfen (Quark) oder Frischkäse hergestellt und mit Gewürzen verfeinert.

Typische Zutaten:

  • Topfen oder Frischkäse
  • Paprikapulver (süß oder scharf)
  • Zwiebeln, fein gehackt
  • Essiggurken oder Kapern
  • Senf
  • Butter oder Sauerrahm
  • Kümmel, Salz und Pfeffer

Geschmack und Konsistenz:

Liptauer ist cremig und würzig-pikant. Das Paprikapulver verleiht ihm seine typische rötliche Farbe und eine leichte Schärfe, während die Essiggurken oder Kapern eine frische Säurenote hinzufügen.

Heinrich Heine sprach ironisch von der „ach, so schrecklichen kaiserlosen Zeit“. Dieses Zitat möchte ich jedoch in einem anderen Sinne verwenden: „kaiserlos“ bezieht sich hier auf die überraschende Tatsache, dass es in den letzten drei Veranstaltungen nur eine einzige gab, bei der wir den Worten unseres Präsidenten, Prof. Dr. Kurt Tiroch, lauschen durften – obwohl uns seine Abwesenheit viel länger vorkam. Freilich darf man den „freien“ August nicht vergessen, der noch dazu kam.

Mit Posaunenklängen, die fast wie Fanfaren zur Ankunft eines Kaisers ertönten, wurde schließlich unser Präsident, Prof. Dr. Kurt Tiroch, angekündigt.

Nach dieser „kaiserlosen Zeit“ trat er in bester professoraler Manier auf und erläuterte uns die feinen, aber besonders für die Bayern wichtigen Unterschiede in der Schreibweise: Bayerisch, bayrisch, bairisch. Denn man weiß ja, dass in Deutschland alles, was außerhalb Bayerns liegt, oft pauschal als „Preußen“ bezeichnet wird – und die deutsche Bundeshauptstadt Berlin nicht selten als das moderne Sodom und Gomorrha gilt. Da ist es schon wichtig, solche Dinge zu klären, damit es im Nachhinein keine Probleme gibt!

Worum geht es also bei diesen Unterschieden? Die Schreibweise variiert je nach Kontext:

  1. Bayerisch mit „e“ wird in der Standardsprache und bei offiziellen Bezeichnungen verwendet:
    • Bayerischer Rundfunk
    • Bayerische Staatsoper
    • Bayerischer Ministerpräsident

Diese Form gilt auch für geografische und politische Bezeichnungen wie „Bayerischer Wald“ oder „Naturpark Bayerische Rhön“.

  1. Bayrisch ohne „e“ ist die umgangssprachliche Form, die oft bei regionalen Produkten oder kulinarischen Bezeichnungen verwendet wird:
    • Bayrisches Weißbier
    • Bayrische Brezn
    • Bayrisch Creme

Hier kommt das sogenannte „flüchtige e“ ins Spiel, das in der gesprochenen Sprache häufig weggelassen wird.

  1. Bairisch mit „i“ bezieht sich auf den Dialekt und die historische Sprachregion, die sich auch über Teile Österreichs und Südtirols erstreckt. Diese Schreibweise war bis 1825 gebräuchlich, bis König Ludwig I. das „y“ zur Unterscheidung des Staates Bayern einführte.

So, nun weiß es der interessierte (oder weniger interessierte) Leser – und selbstverständlich sind auch die Damen mit dieser Anrede inbegriffen! Um sicherzustellen, dass auch die üblichen Zuspätkommenden nicht zu kurz kamen, wiederholte Prof. Tiroch seine Erklärung in leicht gekürzter Form.

Knapp vor dem Zwölf-Uhr-Läuten der nahen Kirchenglocken wurden Schüsseln mit dampfenden Weißwürsten aufgetragen. Dazu gab es Händlmaier Weißwurstsenf, dessen süß-würzige Note mich an unseren Kremser Senf erinnerte. Doch warum eigentlich knapp vor Zwölf?

Der Mythos, dass man Weißwürste nur vor Mittag essen dürfe, hat historische und kulinarische Wurzeln, die jedoch heute eher folkloristisch sind als verbindlich. Der Ursprung dieser Tradition liegt vor allem in der Haltbarkeit und Zubereitung der Wurst.

Ursprung des Mythos:

  • Frische der Wurst: In der Zeit vor der modernen Kühltechnik wurden Weißwürste stets frisch zubereitet und sollten am selben Tag gegessen werden. Da sie weder gepökelt noch geräuchert sind, verderben sie schneller als andere Wurstsorten. Deshalb galt es, sie vorzugsweise in den kühleren Morgenstunden zu essen, bevor die Mittagshitze anbrach.
  • Das Sprichwort: Das bekannte bayerische Sprichwort „Die Weißwurst darf das Mittagsläuten nicht erleben“ weist darauf hin, dass man sie vor 12 Uhr genießen sollte. Dies war allerdings mehr eine pragmatische Empfehlung als eine strikte Regel.

Mit moderner Kühlung ist diese Vorschrift eigentlich überholt. In vielen Biergärten und traditionellen Wirtshäusern werden Weißwürste problemlos den ganzen Tag serviert. Dennoch halten Traditionalisten gerne an dieser Regel fest und genießen Weißwürste vorzugsweise als Teil eines späten Frühstücks oder Frühschoppens – natürlich zusammen mit Brezn, süßem Senf und einem Weißbier.

Da wir zum ersten Mal einen Event fast ausschließlich in Tracht feierten, luden wir unsere Gäste herzlich zu einer ganz besonderen Modenschau ein. Wer Lust hatte – und viele hatten es, einige wurden kurzerhand zwangsrekrutiert – durfte sein oder ihr Trachtenoutfit stolz zur Schau stellen. Ob Dirndl, Janker oder Lederhose, bei unserer privaten Modenschau mit Livemusik präsentierten sich die Teilnehmer mit sichtlichem Stolz. Wie echte Profis stolzierten unsere Mitglieder über den imaginären Laufsteg.

Ein exklusives Video, das ich eigens für diesen Anlass produzierte, ermöglicht es Ihnen, geschätzter Leser und geschätzte Leserin, diesen historischen Event hautnah mitzuerleben. Als kleinen Höhepunkt zeigt der Videoclip zudem den Auftritt der Chefin des Bermudabräu – ein weiterer unvergesslicher Moment.

So begann der Nachmittag allmählich in gemütlicher Runde auszuklingen. Doch einige unserer Mitglieder hatten offenbar Gefallen gefunden und machten sich auf den Weg zum Wiener Oktoberfest – zur Kaiserwiese, die für diesen Anlass die Rolle der Münchner Theresienwiese übernahm.

Da es sich hier um einen „Rückblick“ auf unser erstes Bayerisch-Britisches Oktoberfest handelt und ich nun am Ende meines Berichts angelangt bin, bleiben mir noch zwei wichtige Punkte, die ich erwähnen muss. Erstens: Ein herzlicher Glückwunsch an unseren Präsidenten, dem zweifellos der Verdienst für dieses rundum gelungene Event gebührt. Zweitens: Die berechtigte Frage, die uns alle beschäftigt – wird es im nächsten Jahr wieder ein Bayerisch-Britisches Oktoberfest geben? Es bleibt zu hoffen!

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