Ein Rückblick auf den Vortrag von Mag. Michael Müller „Aktuelle UK Wirtschaftslage vor den Wahlen“ am 20. Juni 2024 im Cafe Ministerium

Fotos: Wolfgang Geißler

Von Wolfgang Geißler

Am Dienstag, den 21. Mai 2024, kam der britische Premierminister Rishi Sunak zu einem offiziellen Besuch nach Wien. Nach einem Empfang mit militärischen Ehren fand im Kanzleramt ein Gespräch mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) statt. „Wir haben ähnliche Standpunkte und verstehen uns menschlich gut“, sagte Österreichs Regierungschef nach dem Treffen. Am Tag darauf, am 22. Mai 2024, verkündete Sunak Neuwahlen für den 4. Juli.

Am Donnerstag, den 20. Juni 2024, lud die Österreichisch-Britische Gesellschaft zu einem Vortrag im Café Ministerium ein. Mag. Michael Müller, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in London, referierte über die aktuelle Wirtschaftslage im Vereinigten Königreich, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen.

In seiner Einleitungsrede behandelte unser Präsident Prof. Dr. Kurt Tiroch auch das Thema Neuwahlen. „Wahlen haben eine Auswirkung auf die Wirtschaft“, sagte er und zeigte sich erstaunt, dass Sunak in seinem Wahlkreis Richmond abgewählt werden könnte. „Historisch“, bezeichnete Prof. Tiroch dies, „Vom Premier zum Niemand – Sunak droht bei der Großbritannien-Wahl der Super-GAU“, formulierte es die „Frankfurter Rundschau“ am 20. Juni 2024.

Mag. Michael Müller bringt eine Fülle an Erfahrung mit. In den letzten drei Jahren war er für die weltweiten Marketingaktivitäten der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) verantwortlich. Seine Karriere führte ihn nach Moskau, Guangzhou und Almaty. Dies ist das zweite Mal, dass er in London tätig ist, was seine tiefe Verbundenheit mit der britischen Wirtschaftslandschaft unterstreicht.

Beim ersten Besuch in London vor dem Brexit herrschte dort Partystimmung. Jetzt, nach dem Brexit und 15 Jahren Tory-Herrschaft, herrscht Ernüchterung. London stimmte mit 59,9% für den Verbleib in der EU.

Mit einem Warenexport von 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2023 zählt das Vereinigte Königreich zu den zehn wichtigsten Handels- und Investitionspartnern Österreichs und rangiert auf Platz fünf bei den Dienstleistungsexporten. Österreich ist ein beliebtes Reiseziel für britische Touristen, und es gibt mehr als 300 österreichische Tochtergesellschaften in Großbritannien, die rund 10.000 Menschen beschäftigen.

Der Brexit hat tiefgreifende Veränderungen in den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und dem Vereinigten Königreich gebracht. Mag. Müller erläuterte die wichtigsten Veränderungen, Herausforderungen und Möglichkeiten für österreichische und britische Unternehmen. Er thematisierte die neuen Handelsbedingungen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Seit Covid leidet die Industrie Österreichs. Sowohl Österreich als auch das Vereinigte Königreich verloren an Wettbewerbsfähigkeit durch steigende Arbeitskosten und den Energiekostenschock. Der Rebound nach Covid verlief in Großbritannien eher flach in einer „Seitwärtsbewegung“, wie Mag. Müller es ausdrückte.

Der Servicesektor in Großbritannien ist ausgezeichnet, jedoch auf Kosten der Industrie. Ein zentraler Punkt des Vortrags war die Frage, wie österreichische Unternehmen im Vereinigten Königreich und britische Unternehmen in Österreich erfolgreich sein können. Mag. Müller brachte konkrete Beispiele und Strategien, wie Unternehmen in diesen Märkten punkten können.

Der britische Markt ist für Österreich ein „logischer“ Markt. Wir haben dort ein gutes Image und  einen Warenbilanzüberschuss. Doch der Wettbewerb ist hart, und Englisch reden allein reicht nicht und unsere Marketingexzellenz ist einfach nicht gut genug. Die britische Wirtschaft tickt anders. Der Brexit hat die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU grundlegend verändert.

Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags lag auf den Möglichkeiten für österreichische Unternehmen im Vereinigten Königreich und umgekehrt. Welche Branchen bieten besondere Chancen? Wo liegen die Herausforderungen, und wie können Unternehmen diese meistern?

Mag. Müller bot auch einen Ausblick auf mögliche wirtschaftliche Entwicklungen und Szenarien vor den Wahlen. Welche wirtschaftspolitischen Veränderungen könnten auf das Vereinigte Königreich zukommen, und wie könnten diese die bilateralen Beziehungen beeinflussen? Diese Fragen sind von großer Bedeutung für Unternehmen und Investoren in diesen Märkten.

Wahlwerbung: Rishi Sunak kommt mit Platitüden: „Wir haben uns dazu entschieden, mehr in den Nahverkehr zu investieren, anstatt endlos mehr Geld in HS2 zu stecken.“ Sir Keir Starmer: „Die arbeitende Bevölkerung will Veränderungen. Sie will keine falschen Versprechungen. Sie will eine Lösung.“  Darauf kann man nur „Jo eh“ sagen.

Der Elefant im Raum: Brexit. Niemand spricht darüber, doch Labour verspricht Verbesserungen. Brexit und das katastrophale Minibudget von Liz Truss waren Produkte von 15 Jahren Tory-Regime und Austerity.

„Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Wie in Österreich mit der Verwaltungsreform, so hat auch das Vereinigte Königreich seine Dauerprobleme: Schlechte Investitionsquoten, regionale Ungleichheit, grauenhafte Infrastruktur, Arbeitskräftemangel und Brexit.

Neben dem NHS ist leistbares Wohnen ein weiteres Problem in Großbritannien. Nur unter Blair wurde das Ziel von 300.000 Wohneinheiten beinahe erreicht. Labour verspricht, dieses Problem anzupacken. Für Österreichs Bauwesen ergibt sich daraus eine große Chance. Wie Mag. Müller es ausdrückte: „Wir sollten dranbleiben.“

Neben den vielen Fotos habe ich die komplette Gesamtpräsentation in Power Point für Sie bereitgestellt. Ich hoffe, sie wird Sie interessieren.

Nach dem Vortrag und der anschließenden Diskussion wurden die Teilnehmer zu einem köstlichen Flying Dinner und vielen Drinks eingeladen. Once again: Café Ministerium at its best!