Rückblick auf den Vortrag „ÖAMTC – der größte Verein Österreichs“
mit Univ.-Prof. Dr. Harald Hertz, im ÖAMTC Stützpunkt Erdberg am 20.09.2024
Fotos: Wolfgang Geißler, Wolfgang Buchta und Wolfgang Menth-Chiari
von Wolfgang Geißler
In der heutigen PRESSE lese ich, dass Donald Trump, der in New York aufgewachsen ist, seine Heimatstadt mit einem „Moloch“ vergleicht.
Nun, ein „Moloch“ ist ursprünglich ein biblischer Begriff und bezieht sich auf eine Gottheit, die mit Kindopfer in Verbindung gebracht wurde. Im übertragenen Sinne wird der Begriff oft verwendet, um etwas Großes, Unkontrollierbares oder Bedrohliches zu beschreiben, das enorme Ressourcen verschlingt oder übermächtig wirkt. In der modernen Sprache wird er häufig für Institutionen, Organisationen oder sogar Städte verwendet, die als zu mächtig oder ineffizient angesehen werden.
Aha, dachte ich mir. Das kommt mir bekannt vor, und tatsächlich stand in der ursprünglichen Einladung zum ÖAMTC-Event: „ÖAMTC – der größte Vereins-Moloch Österreichs“. Auf Wunsch des ÖAMTC-Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Harald Hertz wurde der Titel geändert in „ÖAMTC – der größte Verein Österreichs“, da „Das Wort Moloch möchte der ÖAMTC nicht haben.“
Somit fand am 20. September 2024 in der Zentrale des ÖAMTC in Erdberg ein spannender Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Harald Hertz, Vizepräsident des ÖAMTC und Präsident der Austrian Motorsport Federation (AMF), statt. Der Vortrag beleuchtete nicht nur die vielseitigen Aufgaben des ÖAMTC, sondern bot auch tiefere Einblicke in den österreichischen Motorsport und die Notfallmedizin.
Amüsanterweise begann er wie eine klassische Doppelconference, wobei unser rühriger Präsident, Prof. Dr. Kurt Tiroch, versuchte, seine Einleitung an die Mitglieder zu bringen, aber von Univ.-Prof. Dr. Harald Hertz häufig unterbrochen wurde. Auch das Wort „Moloch“ schaffte es, wenngleich unter Protesten von Univ.-Prof. Dr. Hertz, in die Rede des Präsidenten. Unterhaltsam war es aber dennoch!
Univ.-Prof. Dr. Hertz, der eine beeindruckende Karriere als Unfallchirurg und Pionier im Bereich der Hubschrauberrettung hinter sich hat, begann seinen Vortrag mit einer detaillierten Vorstellung des ÖAMTC. (Dazu gibt es etliche Slides in meiner Fotoserie zur Information!) Mit rund 2,5 Millionen Mitgliedern und einem breiten Angebot an Dienstleistungen, von der Pannenhilfe bis hin zur Flugrettung, ist der ÖAMTC ein unverzichtbarer Bestandteil der österreichischen Mobilität. „Der Club agiert wie ein Gigant, der die Mobilität der Menschen in allen Facetten unterstützt“, erklärte Dr. Hertz.
Auch das Thema Motorsport nahm einen zentralen Platz ein, insbesondere die Rolle der AMF (Austrian Motorsport Federation), die die österreichischen Motorsportler weltweit vertritt und ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht.
Der ÖAMTC (Österreichischer Automobil-, Motorrad- und Touring Club) ist mit über 2,5 Millionen Mitgliedern der größte Mobilitätsclub Österreichs. Ursprünglich als Automobilclub gegründet, hat er sich im Laufe der Jahre zu einem umfassenden Mobilitätsdienstleister entwickelt. Zu seinen Hauptaufgaben zählen die Pannen- und Notfallhilfe, die Flugrettung sowie Dienstleistungen wie das „Pickerl“ (Fahrzeugüberprüfung) und Beratungen in Rechts- und Konsumentenfragen. Der ÖAMTC bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen, darunter die berühmte Pannenhilfe und die Christophorus-Flugrettung, die an mehreren saisonalen Stützpunkten in den Alpen tätig ist, um besonders während der Wintermonate in Skigebieten die Notfallversorgung zu unterstützen. Zudem betreibt der Club Fahrtechnikzentren, in denen Sicherheitstrainings für Autofahrer stattfinden, sowie Offroad-Trainings für spezielle Einsatzfahrzeuge.
Die Zentrale des ÖAMTC in Wien, die 2016 fertiggestellt wurde, ist ein beeindruckendes Beispiel moderner Architektur (Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH). Sie vereint verschiedene Servicebereiche wie ein Reisebüro, einen Konferenzbereich und einen Heliport unter einem Dach und spiegelt die Vielfalt der Dienstleistungen des Clubs wider.
Föderale Struktur des ÖAMTC:
Der ÖAMTC ist föderal organisiert, was bedeutet, dass er in Landesvereine aufgeteilt ist. Diese Struktur erlaubt es dem Club, regional flexibel zu agieren und dabei nah an den Bedürfnissen der Mitglieder zu bleiben. Jedes österreichische Bundesland hat seinen eigenen Landesverein, der in Kooperation mit der zentralen ÖAMTC-Zentrale in Wien agiert. Diese föderale Struktur wird als Vorteil genutzt, um die Mitglieder besser betreuen zu können, und stärkt den direkten Kontakt zwischen Mitgliedern und ihren jeweiligen Landesvereinen. Genau genommen ist „der ÖAMTC“ Wien, Niederösterreich und Burgenland mit der Zentrale in Erdberg, die gleichzeitig auch Stützpunkt ist. Die anderen sechs Länder werden als ÖAMTC Salzburg, ÖAMTC Tirol usw. geführt.
Finanzen und Leistungen:
Österreich hat über 9,1 Millionen Einwohner, über 5,1 Millionen PKW mit einem Durchschnittsalter von nahezu 11 Jahren, 634.000 Motorräder und 538.000 LKW. Der ÖAMTC ist ein wirtschaftlich und parteipolitisch unabhängiger Verein, der sich aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Er ist gemeinnützig. Zu den umfangreichen Dienstleistungen des Clubs gehören Pannen- und Abschlepphilfe, Notarzthubschrauber-Einsätze, technische Prüfungen und Rechtsberatungen. Im Jahr 2023 leistete die mobile Pannenhilfe über 687.000 Einsätze, während die Christophorus-Notarzthubschrauber fast 21.000 Einsätze absolvierten. Der Club betreibt österreichweit 115 Stützpunkte, 22 Notarzthubschrauber-Standorte mit 29 Hubschraubern und acht Fahrtechnikzentren, in denen mehr als 116.800 Teilnehmer an Sicherheitstrainings teilnahmen. Der ÖAMTC ist der siebentgrößte Mobilitätsclub weltweit!
Mitarbeiterzahl:
Der ÖAMTC beschäftigt insgesamt 4.198 Mitarbeiter. Diese Zahl umfasst sowohl administrative Tätigkeiten als auch technische Mitarbeiter, die in Bereichen wie Pannenhilfe, Abschleppdienst und Fahrtechnikzentren tätig sind. Eine wichtige Rolle spielt auch die Vielfalt der Mitarbeiterstruktur, die der Club gezielt fördert, um Chancengleichheit und Inklusion zu gewährleisten.
Die Flugrettung des ÖAMTC ist ein essenzieller Bestandteil der österreichischen Notfallversorgung und wird durch das Christophorus-Programm sichergestellt. Hier einige wesentliche Details:
Christophorus-Flugrettung:
Seit Juli 2023 über 40 Jahre ein kompetenter Partner in der Flugrettung
Einsatzgebiete: Die ÖAMTC-Flugrettung betreibt insgesamt 17 Stützpunkte in Österreich, von denen die Christophorus-Notarzthubschrauber abheben. Sie sind strategisch verteilt und decken ganz Österreich ab. Dabei gibt es saisonale Stützpunkte, wie etwa in den alpinen Wintersportgebieten, um die erhöhte Unfallrate in der Skisaison abzudecken.
Einsatzzahlen: Im Jahr 2023 starteten die Notarzthubschrauber fast 21.000-mal zu lebensrettenden Einsätzen. Diese Zahl zeigt die hohe Bedeutung der Flugrettung im täglichen Rettungswesen, insbesondere in schwer zugänglichen Gebieten wie den Alpen.
Ausstattung und Personal: Jeder Hubschrauber ist mit einem Team bestehend aus einem Notarzt, einem Piloten und einem Flugretter besetzt. Die Hubschrauber sind modern ausgestattet, um auch komplizierte medizinische Notfälle zu behandeln. Die Flugretter sind speziell geschulte Rettungssanitäter mit alpiner Zusatzausbildung, um auch in schwierigen Gelände- und Witterungsverhältnissen Einsätze sicher durchführen zu können.
Standorte und saisonale Einsätze: Neben den regulären Stützpunkten gibt es vier saisonale Helikopterbasen, die speziell in den Wintermonaten in Tourismusregionen wie Patergassen und Sölden tätig sind, um in stark frequentierten Skigebieten schnell reagieren zu können.
Geschichte und Entwicklung: Die Christophorus-Flugrettung wurde in den 1980er Jahren eingeführt und hat sich seitdem zu einem der leistungsfähigsten Rettungssysteme Europas entwickelt. Der ÖAMTC arbeitete eng mit verschiedenen Partnern zusammen, um das Netz an Hubschrauberbasen zu erweitern und die Einsatzbereitschaft zu maximieren.
Die ÖAMTC-Flugrettung setzt auf eine hoch spezialisierte Crew, die aus drei Hauptpersonen besteht: dem Piloten, dem Flugrettungsarzt und dem Flugretter. Insgesamt umfasst die Belegschaft 71 Piloten, 400 Flugrettungsärzte und etwa 160 Flugretter. Diese Besatzungen sind für die 17 ganzjährig betriebenen und vier saisonalen Stützpunkte verantwortlich.
Die Piloten des ÖAMTC müssen über eine Berufspilotenlizenz und mindestens 2.000 Flugstunden verfügen. Sie sind fest beim ÖAMTC angestellt. Im Gegensatz dazu sind die Flugrettungsärzte und Flugretter in der Regel nicht fest beim ÖAMTC angestellt, sondern werden von externen Organisationen wie Krankenhäusern oder Rettungsdiensten gestellt.
Zusätzlich durchläuft die gesamte Crew regelmäßige und intensive Schulungen, unter anderem im AirRescueCollege, um stets auf dem neuesten Stand zu bleiben. Diese Schulungen umfassen Alpintrainings, Seilbergung und Sicherheitstrainings, um auch in schwierigen Einsatzumgebungen wie den Alpen bestens vorbereitet zu sein.
Die flugbetriebliche Kompetenz der ÖAMTC-Flugrettungscrew ist hochgradig spezialisiert und wird durch kontinuierliche Schulungen und Erfahrung aufrechterhalten. Hier sind die wesentlichen Punkte:
Piloten:
- Voraussetzungen: Die Piloten der Christophorus-Flugrettung müssen über eine Berufspilotenlizenz (CPL-H) verfügen und mindestens 2.000 Flugstunden absolviert haben. Diese Anforderungen stellen sicher, dass die Piloten umfangreiche Erfahrung im Fliegen von Hubschraubern unter schwierigen Bedingungen, wie z.B. in alpinen Gebieten, mitbringen.
- Instrumentenflug: Einige Hubschrauber, wie der Christophorus 11 in Klagenfurt, sind für den Instrumentenflug ausgestattet. Das bedeutet, dass die Piloten auch bei schlechten Sichtverhältnissen fliegen können, was insbesondere bei Rettungseinsätzen bei schlechtem Wetter entscheidend ist.
Flugrettungsärzte:
- Notfallkompetenz: Die Flugrettungsärzte sind hochqualifizierte Fachärzte, in der Regel mit Erfahrung in der Notfallmedizin. Sie müssen Einsätze in extremen Situationen meistern, etwa in abgelegenen und unzugänglichen Gebieten. Ihr Aufgabenbereich umfasst die Notfallversorgung am Einsatzort, oft unter Einsatzbedingungen, die in einem Krankenhaus undenkbar wären.
- Training: Sie durchlaufen spezialisierte Schulungen, insbesondere im Umgang mit den spezifischen Herausforderungen eines Luftrettungseinsatzes. Dies umfasst sowohl medizinische als auch flugtechnische Inhalte.
Flugretter:
- Alpintraining und Rettungstechniken: Die Flugretter sind speziell geschult in alpiner Rettung, Seilbergung und anderen spezialisierten Rettungstechniken, die bei schwierigen Bergungen zum Einsatz kommen. Sie führen Bergungen durch, bei denen eine Landung des Hubschraubers nicht möglich ist, beispielsweise bei Taubergungen.
- Zusammenarbeit mit Bergrettung: In vielen Einsätzen arbeiten die Flugretter eng mit der Bergrettung zusammen. Dabei bringen sie zusätzliche Expertise in der Seilbergung und Evakuierung ein, um sicherzustellen, dass Verunfallte auch aus schwierigstem Gelände gerettet werden können.
- Nach Alarmierung zu einem Primäreinsatz: Der Hubschrauber startet innerhalb von drei Minuten am Tag und innerhalb von 15 Minuten in der Nacht. Im Durchschnitt kostet ein Alpineinsatz €3.500.
Schulungen und Aus- und Weiterbildung:
Die gesamte Crew wird regelmäßig im AirRescueCollege des ÖAMTC geschult. Hier werden Themen wie Alpintraining, Sicherheits- und Kommunikationstraining sowie die Handhabung moderner Flugrettungstechnologien vermittelt. Zusammen ermöglichen diese hohen Anforderungen und umfassenden Trainingsprogramme der Christophorus-Crew eine schnelle und präzise Reaktion in Notfällen, auch unter den herausforderndsten Bedingungen.
Finanzierung und Logistik:
Die Flugrettung wird primär durch den ÖAMTC selbst finanziert, wobei Mitgliedsbeiträge und Kooperationen mit Krankenkassen eine Rolle spielen. Der Betrieb der Hubschrauber ist kostspielig, doch dank modernster Technologie und hoher Effizienz können die Einsätze möglichst kostengünstig gestaltet werden. Die Christophorus-Flugrettung spielt somit eine zentrale Rolle in der Notfallmedizin Österreichs, indem sie rasche, flächendeckende Rettungsdienste bereitstellt, die sowohl in urbanen als auch in schwer zugänglichen Gebieten verfügbar sind.
Medical Drones:
Die Medical Drones des ÖAMTC sind ein innovatives Projekt, das sich derzeit in der Entwicklungsphase befindet. Ihr Ziel ist es, die Notfallmedizin durch den Einsatz von Drohnen zu unterstützen und zu optimieren. Diese Drohnen sollen zukünftig medizinische Güter wie Blutkonserven, Laborproben oder Medikamente schnell und effizient an schwer zugängliche Orte transportieren, wo dringend benötigte Ressourcen nicht per Fahrzeug oder Hubschrauber geliefert werden können.
Wichtige Eigenschaften der Medical Drones:
- Schnelle und kostengünstige Transporte: Die Drohnen sind in der Lage, medizinische Fracht in kurzer Zeit zu transportieren. Sie werden autonom betrieben. Dies kann die Reaktionszeit in Notfällen drastisch verkürzen und Leben retten, vor allem in ländlichen oder alpinen Gebieten.
- Vernetzung mit Krankenhäusern: Das Konzept sieht vor, dass Krankenhäuser per Drohne untereinander vernetzt werden, um schnell auf Engpässe bei medizinischen Materialien reagieren zu können. Besonders seltene Medikamente oder Blutkonserven könnten auf diese Weise zielgerichtet und effizient an den Einsatzort gebracht werden.
- Umweltfreundlich: Der Einsatz von Drohnen ist nicht nur schneller, sondern auch umweltfreundlicher als der herkömmliche Straßentransport, insbesondere in urbanen Gebieten mit viel Verkehr.
Die Entwicklung der Medical Drones wird als eine wichtige Zukunftstechnologie betrachtet, um die Notfallversorgung weiter zu verbessern und auf die wachsenden demografischen und medizinischen Anforderungen zu reagieren.
Univ.-Prof. Dr. Harald Hertz veranschaulichte in seinem Vortrag die immense Bedeutung des ÖAMTC für die Mobilität und Sicherheit in Österreich. Durch die föderale Struktur, das umfangreiche Dienstleistungsangebot und innovative Projekte wie die Medical Drones wird der Club auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen – sowohl im Bereich der Alltagsmobilität als auch in der Notfallrettung.
Worauf wohl jeder gewartet hat, wurde von den legendären Worten unseres Präsidenten Prof. Dr. Tiroch „sonst werden das Bier warm und die Schnitzel kalt“ eingeläutet. Nach den vielen, erfahrungsgeladenen Fragen der Mitglieder wurden wir sehr großzügig mit Speis und Trank vom ÖAMTC verwöhnt.
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